In welche Rolle schlüpfst du?

Fastnacht, Karneval, Fasching – in Deutschland gibt es viele Namen für die 5. Jahreszeit. Heute beginnt in einigen Teilen Deutschlands mit Altweiber die Hochphase der Saison. Wieder verwandeln sich tausende und abertausende Menschen in phantasievolle Gestalten und geben damit ihre Alltagsrolle ab. Sie nehmen eine neue Rolle ein: als Tiere, bestimmte Berufsgruppen oder Phantasiegestalten ziehen sie durch die Straßen und Lokale.

Doch auch ganz ohne Kostüm nehmen wir täglich verschiedenste Rollen ein. Wir befinden uns immer in einem gewissen sozialen System – sei es auf der Arbeit, in der Familie, unter Freunden oder mit den Menschen im Supermarkt.

In meinen Beratungen wird immer wieder deutlich, dass meine Klientinnen und Klienten viel mehr Rollen innehaben, als ihnen anfangs bewusst ist.

Warum lohnt es sich, da genauer hinzuschauen? Wozu kann es sinnvoll sein, sich mit seinen Rollen auseinanderzusetzen? Darum soll es in diesem Artikel gehen.

Begriffsklärung: Was ist überhaupt eine Rolle?

Für das Wort „Rolle“ gibt es viele unterschiedliche Definitionen. Ich möchte mich hier mit der sozialen Rolle beschäftigen (und nicht z.B. mit der Rolle im Turnen). Wikipedia definiert die soziale Rolle wie folgt:

Die soziale Rolle ist ein Begriff aus der Soziologie und Sozialpsychologie, der dem Theater entlehnt wurde. Laut Definition des US-amerikanischen Anthropologen Ralph Linton (1936) stellt die soziale Rolle die Gesamtheit der einem gegebenen Status (z. B. Mutter, Vorgesetzter, Priester usw.) zugeschriebenen „kulturellen Modelle“ dar. Dazu gehören insbesondere Erwartungen, Werte, Handlungsmuster und Verhaltensweisen, die vom sozialen System abhängig sind.

[..]

Unabhängig von der sozialen Rolle bewirkt im Berufsleben die zugewiesene operationelle Rolle aufgrund von Qualifikationen eine die Arbeitsteilung bestimmende Unterscheidung.

https://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Rolle

Das heißt, bei der sozialen Rolle geht es immer um folgendes:

  • Erwartungen
  • Werte
  • Handlungsmuster
  • Verhaltensweisen

Eine Rolle wird immer im Kontext eines sozialen Systems betrachtet De Erwartungen, Werte, Handlungsmuster und Verhaltensweisen sind nicht in jedem sozialen System gleich. Vereinfacht am Beispiel der Rolle „Mutter“ heißt das: in Familie A sind die Werte und Erwartungen an diese Rolle möglicherweise anders als in Familie B.

Warum es gut ist, eine Rollenbewusstsein zu entwickeln

Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass man sehr schnell ganz ganz viele Rollen einnehmen kann. Manche Rollen sind einfach von Geburt aus schon da – so bin ich schon immer Tochter und Schwester.

Andere Rollen habe ich mir selbst ausgesucht, wieder andere werden mir zugeschrieben.

Je mehr Rollen ich innehabe, desto größer ist die Herausforderung, allen Rollen gerecht zu werden – vor allem, wenn nicht ganz klar ist, welche Erwartungen an diese Rolle gestellt werden.

Rollenbewusstsein beinhalten für mich folgende Dinge:

  1. Ich bin mir meiner Rolle in einem spezifischen Kontext bewusst
  2. Ich weiß, welche Erwartungen andere an diese Rolle stellen
  3. Ich weiß, welche Erwartungen ich selbst an diese Rolle habe

Wenn die eigenen Erwartungen an die Rolle und die Erwartungen von außen nicht zusammenpassen, kann das schnell mal zu Missverständnissen und Konflikten führen.

Natürlich ist das nicht immer klar und offensichtlich. Deshalb plädiere ich dafür, sich regelmäßig selbst zu reflektieren und die Erwartungen auch möglichst klar zu kommunizieren. Auf der anderen Seite finde ich es hilfreich, die anderen Mitglieder des betroffene Systems zu fragen, welche Erwartungen sie an diese Rolle stellen. Diese Transparenz trägt dazu bei, dass Erwartungen auch erfüllt werden können. Nur wenn ich weiß, was von mir erwartet wird, kann ich dem auch nachkommen.

So kannst du dein Rollenbewusstsein stärken

  1. Nimm dir ein leeres Blatt Papier und schreibe alle Rollen auf, die du deiner Meinung nach einnimmst. Du kannst das auch auf einen bestimmten Kontext beschränken – z.B. privates versus berufliches Umfeld.
    Meine Rollen im privaten Bereich sind unter anderem:
    • Tochter
    • Mutter
    • Partnerin
    • Freundin
    • Zuhörerin
    • Mediatorin
    • Managerin
    • Motivatorin und Mutmacherin
    • etc.
  2. Überlege dir für jede Rolle, welche Erwartungen und Werte aus deiner Sicht dahinter stecken (auch Erwartungen an Verhaltens- und Handlungsmuster).
  3. Im nächsten Schritt frage dich, welche externen Erwartungen es deiner Meinung nach an diese Rolle gibt. Du kannst hier auch gerne dein Umfeld fragen.
  4. Überlege dir, welche Rollen du für dich annehmen möchtest und welche eigentlich nicht. Priorisiere deine Rollen – welche sind dir besonders wichtig.
  5. In einer bestimmten Situation frage dich, in welcher Rolle du gerade unterwegs bist – in Zeiten der Corona-Lockdowns gab es zum Beispiel bei mir oft den Konflikt zwischen der Geldverdienerin (Home-Office), Mutter und Lehrerin (Homeschooling).
  6. Überlege dir auch, welche Rollen du abgeben möchtest (z.B. durch Delegieren, „Nein“-Sagen oder das Ablegen von Ämtern)

Es lohnt sich, diese Rollen-Übung immer mal wieder zu machen – zum Beispiel einmal im Jahr – und zu reflektieren, was sich in der Zeit ggf. verschoben hat.

Seitdem ich mich mehr mit dem Thema Rollen auseinander setze, frage ich mich bewusster, ob es gerade wirklich meine Aufgabe ist, mich irgendwo einzumischen oder zu handeln. Das nimmt mir persönlich sehr viel Stress ab, denn ich habe immer noch genug Rollen, bei denen ich mich gerne auch ins Zeug lege.


Welche Rollen nimmst du immer wieder ein? Auf welche Rollen könntest du verzichten? Hinterlasse mir dazu gerne einen Kommentar.

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