„Wie war die Kur?“, „Hast du dich gut erholt?“, „Wie lange warst du jetzt eigentlich in Reha?“ – Diese und ähnliche Fragen erreichten mich in den letzten Tagen. Bereits ein paar Tage nach Beginn der Reha hatte ich meinen ersten Eindruck geschildert, jetzt möchte ich berichten, wie es mir dort ansonsten ergangen ist.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass die Entscheidung für diese AHB-Reha auf jeden Fall richtig war. Ich bin dankbar für alle, die mir zu dieser Entscheidung verholfen haben. Es hat sich auch gelohnt, ausführlich nach Kliniken zu schauen und diese Klinik war für mich definitiv die Richtige!
Reha auf Föhr – mein Rückblick
Entschleunigung auf einer ganz besonderen Insel
Die Reha Klinik Utersum auf Föhr liegt direkt an einem traumhaften Strand. Vom Strand aus hat man beste Sicht sowohl auf Amrum als auch auf Sylt. Selbst im Dezember fand ich diesen Strand atemberaubend und ich frage mich, wie es wohl dort im Sommer ist. Jetzt, im Dezember waren wirklich so gut wie keine Touristen auf der Insel und somit auch viele Geschäfte und Restaurants geschlossen. Die Menschen dort wollen eben auch mal Erholung und Ruhepause.
Einige Geschäfte und Cafés waren dennoch geöffnet. So haben wir – eine liebe Reha-Freundin und ich – es geschafft in Wyk ein Fischbrötchen zu essen. Aber nicht nur irgendein 0815-Fischbrötchen, sondern eins mit einem unfassbar leckeren (noch warmem) Brötchen und einer super leckeren Soße. Zuerst waren wir etwas schockiert von dem Preis, der in der Karte stand, aber das war definitiv ein Gourmet-Fischbrötchen und somit seinen Preis auch wert.
Da ich mit der Bahn angereist war (man hätte auch mit dem Auto kommen können), habe ich viele Wege zu Fuß zurück gelegt oder wir sind mit dem Bus gefahren, der direkt vor unserer Klinik eine Haltestelle hat. Im Bus konnte man beobachten, dass auf der Insel irgendwie jeder jeden kennt. Ich als Dorfkind mag das total. Überhaupt waren die Menschen (ja, auch die Busfahrer) sehr freundlich und unkompliziert.
So habe ich kurz vor meiner Abreise ein Paket gepackt mit Büchern, die ich heim schicken wollte. Der Weg zur Poststelle, die in den Supermarkt integriert war, betrug ungefähr 1,5 km. Mit dem schweren Päckchen bin ich dann lieber mal Bus gefahren. Der Busfahrer hat mich doch tatsächlich direkt vor dem Supermarkt rausgelassen – statt an der Haltestelle 50m davor. Das war so süß.
Da es schon früh dunkel wurde, habe ich aber unter der Woche eh die meiste Zeit in der Klinik mit dem Therapieplan und den zusätzlich gewählten Aktivitäten verbracht. Ohne Auto gurkt man dann nicht noch eben mal in die „große“ Stadt, in der die Geschäfte ja eh auch schon um 18:00 schließen. Diese Entschleunigung hat mir wirklich sehr gut getan.
Ein bunter Mix aus Bewegung und Entspannung
Ich hatte bereits im ersten Beitrag zu meinen Reha-Eindrücken schon berichtet, dass die Reha nicht pure Entspannung bedeutet – auch wenn das auf den Fotos nach außen so erscheinen mag. Ganz im Gegenteil: es ist harte Arbeit. Es gab einige Veranstaltungen, an denen vermutlich alle irgendwann mal teilnehmen durften wie „Haltungstraining“, „Outdoor-Training“ oder diverse Vorträge zum Fatigue Syndrom oder zu Ernährung.
Aber es gab trotzdem immer einen ganz individuellen Plan. Ich hatte als Rehaziel festgelegt, dass ich meine Ausdauer und auch meine Konzentration verbessern möchte. Zusätzlich hatte ich das ganz klar Ziel, dass ich hinterher den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben starten möchte. So ganz nebenbei war die Reha für mich auch der Ort der Aufarbeitung.
Auf Basis dieser Ziele hatte ich ein wirklich abwechslungsreiches Programm mit Haltungstraining, Wassergymnastik, Tanztherapie, Gehirnjogging, pychoonkologischer Gesprächsgruppe, Massage, diversen Vorträgen, Ausdauertraining, Training zur Brustselbstuntersuchung, Lymphödem Prävention, und und und
Besonders gut gefallen hat mir, dass versucht wurde, soviel wie möglich nach draußen zu verlegen. So fand das Haltungstraining zum Beispiel fast immer entweder auf dem sonst nicht benötigten Hubschrauberlandeplatz oder direkt am Meer statt. Die Herausforderung war, dass man immer für alle Eventualitäten gewappnet sein musste. Somit hatte ich immer mehrere Sporthoren übereinander an, wenn nicht klar war, ob das Training drinnen oder draußen sein würde. Nach dem ersten Haltungstraining habe ich mir außerdem angewöhnt, auch immer Handschuhe dabei zu haben.
Zusätzlich zu meinem vorgegebenen Plan habe ich auch ganz intensiv das Angebot des Aktivplans genutzt und einige neue Dinge ausprobiert:
- Intuitives Bogenschießen – das stand bei mir irgendwann ganz besonders hoch im Kurs. Ich habe versucht, jeden Tag (außer an den Wochenenden) wenigstens einmal am Bogenschießen teilnehmen zu können. Nur einmal ist es wirklich wetterbedingt ausgefallen. Ansonsten waren wir immer draußen und der Trainer hat uns währenddessen nicht nur mit Argusaugen im Blick behalten (dass wir ja alles richtig machen) und nebenbei seine halbe Lebensgeschichte erzählt – so haben wir auch ganz nebenbei einiges über Föhr gelernt. Zum Beispiel dass dort viele wilde Fasane leben – auf die wir aber nicht schießen durften 😅
- Qi Gong – darunter konnte ich mir nie so richtig etwas vorstellen und ich stand dem daher immer eher skeptisch gegenüber. Zumindest dort in der Reha fand ich es dann ziemlich gut. Es war ein vorgegebener Bewegungsablauf, der irgendwie gut angeleitet war. So hatte jede Position einen sehr bildhaften Namen (ich habe sie mir natürlich nicht gemerkt). Letztlich waren es sehr intensive Dehnübungen.
- Drums Alive – Trommeln auf Gymnastikbällen. Das war total lustig und erforderte einiges an Konzentration und Koordination. Man musste zwischendurch auch mal die Position wechseln – ich weiß nicht, wie oft ich dabei rechts statt links gewählt habe. Zum Glück ging es den anderen Teilnehmenden ähnlich.
- Tanztherapie – das klingt vom Wort her total esoterisch, aber es war eher gemeinsames Tanzen zu meist orientalischen oder israelischen Liedern. Die Choreographien waren auf den ersten Blick immer gar nicht si schwer, aber in der Umsetzung war es immer wieder eine Überraschung, ob man wirklich an jeden Schritt denkt. Es gab auch jedes Mal andere Tänze, so dass man immer wieder von vorne anfangen konnte.
- Ukulele spielen – das war neben dem Bogenschießen mit Sicherheit eines der Highlights im Aktivangebot. Die Trainerin hat uns in einer Stunde die wichtigsten Grundlagen beigebracht und uns dann die Instrumente und Übungsunterlagen für eine Woche ausgeliehen, so dass wir auf dem Zimmer selbst weiter üben konnten. Das ist echt eine feine Sache. So eine Ukulele ist schon schön handlich und da ich ein bisschen Gitarre spielen kann, sind die Techniken nicht ganz neu für mich. Jetzt bin ich kurz davor, mir doch eine eigene Ukulele zu kaufen. Andererseits könnte ich aber auch einfach meiner Gitarre mal wieder die Ehre erweisen.
- Entspannungsmalen – das war von der Idee her wirklich gut, denn malen finde ich ja durchaus sehr meditativ. Ich persönlich hätte mir hier aber mehr Anleitung gewünscht. Es wurde immer wieder gesagt, es ginge nicht darum, ob etwas Schönes dabei herauskommt – wir sollten einfach drauf los malen. Einfach so .- das war mir dann doch etwas zu ziellos. Aber gut – man muss allem mal eine Chance geben.
Langsamer Wiederaufbau
Als ich auf Föhr ankam, war ich ziemlich abgekämpft und ausgelaugt. Ich hatte am ersten Tag vor Ort tatsächlich auch heftige Kopfschmerzen – vermutlich von der langen Anreise und der Umgewöhnung an das andere Bett. Zudem hatte ja die Blutuntersuchung ergeben, dass meine weißen Blutkörperchen dank der Tabletten, die ich nehme, mächtig in den Keller gegangen sind. Vor allem die sogenannten neutrophilen Granulozyten, eine Untergruppe der Leukozythen, die für das Immunsystem essenziell sind.
Deshalb bekam ich einige Tage lang mein Essen aufs Zimmer – ansonsten durfte ich aber zum Glück an so ziemlich allen Aktivitäten teilnehmen. Nur aufpassen sollte ich, dass ich mir keine Erkältung oder ähnliches einfange. Die Tabletten hatte ich auf Anraten des Arztes vorsorglich erstmal abgesetzt.
Zum Glück hatte ich noch die Worte meiner Hausärztin vom Beginn dieser Brustkrebsreise im Ohr: „Tun Sie etwas für ihre Endorphine, denn das ist gut fürs Immunsystem.“ Daher habe ich statt Trübsal blasen einfach alles Mögliche getan, was mir gut tut.
Nach ein paar Tagen (etwa eine halbe Woche später) wurde dann nochmals mein Blutbild bestimmt und meine weißen Blutkörperchen hatten sich wieder einigermaßen erholt, so dass ich auch wieder unter Menschen essen und an der Wassergymnastik teilnehmen durfte.
Ganz oben auf der Liste waren aber die Spaziergänge am Meer – bei jedem Wetter. Ich war glaube ich jeden Tag mindestens einmal am Strand – und wenn es nur für eine Viertelstunde war. Dabei habe ich unzählige Fotos gemacht, weil ich ganz viel mit meiner Handykamera ausprobiert habe. Das Meer, der Himmel und der Strand sahen auch jedes Mal anders aus.
Über die Zeit der Rehe habe ich gemerkt, wie es mir Stück für Stück besser geht. So habe ich es gewagt, beim Ausdauertraining auch mal zu Joggen statt zu Walken und ich habe längere Nordic Walking Touren gemacht. Die längste war an einem Sonntag bei bestem Wetter in Richtung Oldsum. Dort gibt es das Café Stelly’s Hüüs, das alle hoch gelobt hatten. Es bot sich somit für mich als Ziel an. Fast 7,5 km war die Strecke – inklusive kleinem Umweg, weil ich unbedingt noch die Windmühle fotografieren wollte.
Das Café war dann auch wirklich der Hammer! Urgemütlich und eigentlich eine Mischung aus Töpferei, Teeladen und Café mit frischem selbst gebackenem Kuchen, leckerem Bratapfel, Tee und Kaffee. Die Rücktour habe ich dann mit dem Bus gemacht – nicht aufgrund mangelnder Fitness, sondern weil ich sonst einen Teil der Strecke im Dunkeln hätte gehen müssen und dazu hatte ich definitiv die falsche Kleidung an.
Apropos Endorphine: Ich habe in der Reha tolle Menschen kennengelernt und es wurde irgendwann fast schon zum Ritual, dass wir uns nachmittags in der Cafeteria der Klinik getroffen haben. Auch hier gab es sehr leckeren Kaffee, aber auch super leckeren Kuchen. Die Damen, die dort in Cafeteria und angrenzendem Kiosk arbeiteten, haben wirklich jeden Tag selbst gebacken – so konnten man morgens schon die Kuchenduft im ganzen Haus wahrnehmen. Einfach wunderbar – wenn auch vielleicht etwas kontraproduktiv für die Hüften, aber der Genuss ging da einfach mal vor.
Und wie geht es jetzt nach der Reha weiter?
Am 23.12. bin ich wieder nach Hause gefahren, denn für mich war klar, dass ich Weihnachten zu Hause mit meiner kleinen Familie feiern wollte. Der Arzt war davon nicht so richtig begeistern, hat mir dann aber am Ende doch noch sein offizielles OK gegeben. Damit bin ich zumindest nicht „gegen ärztlichen Rat“ früher gegangen.
Bereits am 28.12.2022 habe ich mit der Wiedereingliederung gestartet. Ein Hoch auf das Homeoffice! Ich finde mich nun also langsam wieder ein in der Arbeitswelt und übe mich noch in der Konzentration, aber auch in Geduld, denn ich muss auf jeden Fall langsam machen.
Die Tabletten, die ich während der Reha aufgrund der Blutwerte erstmal abgesetzt hatte, nehme ich nun erstmal wieder in Absprache mit meinem Onkologen hier bei mir. Wir werden aber das Blutbild ganz engmaschig kontrollieren und ggf. nochmal die Dosis anpassen.
Das nehme ich von der Reha für mich mit
- Es ist ok, dass ich während der ganzen Zeit keine psychologische Betreuung in Anspruch genommen habe, denn ich habe meinen eigenen Weg zur Verarbeitung und zum Umgang mit der Krankheit gefunden.
- Ich laufe nun öfter eher nach Puls statt nach Strecke und Tempo
- Ich muss mir hier in der Gegend eine Möglichkeit zum Bogenschießen suchen und habe auch schon etwas gefunden, wo ich mal anklopfen werde.
- Entspannungsmalen werde ich auf meine persönliche Art und Weise umsetzen: ich habe angefangen, mich ein bisschen mit Sketch Notes auseinander zu setzen und probiere da immer mal was aus.
- Ich fühle mich jetzt wieder fit genug, um regelmäßig Laufen und Nordic Walken zu gehen.
- Ich muss definitiv noch mal nach Föhr – ob jetzt als Reha oder zum Urlaub machen. Es gibt da noch ganz viel für mich zu entdecken.
Impressionen von meiner Reha auf Föhr
Ich habe während meiner Zeit auf Föhr unfassbar viele Fotos gemacht, weil das Licht einfach immer wieder anders war und ich mich endlich mal austoben konnte. Dieser Artikel verdient es einfach, dass ich ein paar dieser Bilder hier mit aufnehme.
Ist die Reise jetzt beendet?
Tja – das ist die Frage aller Fragen und ich habe keine Antwort darauf. Ein Teil dieser Krebsreise wird mich wohl immer irgendwie begleiten – schon allein bei den Nachsorgeuntersuchungen und durch die Tabletten, die ich weiterhin nehme.
Wie es mit diesem Blog hier in Zukunft weiter gehen wird, habe ich noch nicht entschieden. Ein paar Ideen für Inhalte hätte ich tatsächlich noch, aber ich bin auch offen für kreative Vorschläge 😜
Hinterlasse mir gerne einen Kommentar zu diesem Beitrag oder mit Ideen und Anregungen, wie ich mit dem Blog weitermachen soll.
3 Antworten auf „Reha Rückblick: Wiederaufbau in der Friesischen Karibik“
Dankeschön, für diesen schönen Bericht und Deine Freundschaft. Christel 🤗
Danke liebe Christel, das kann ich nur zurück geben 🤗
[…] in Hamburg und habe die Gelegenheit genutzt, meine Freundin wiederzutreffen, die ich in der Reha auf Föhr kennengelernt habe. Ach es war so schön, mit ihr gemeinsam die Speicherstadt zu […]