Die Geschichte von Beppo Straßenkehrer

Zeit ist relativ und manchmal für manche Dinge muss man oft viel Geduld und Durchhaltevermögen aufbringen. Manchmal ist ein Ziel sehr groß und der Weg dorthin wirkt unübersichtlich und bedrohlich. Auch ich darf mir regelmäßig in Erinnerung rufen, dass es hilfreich ist, auf den Prozess zu vertrauen und dass man manchmal einfach loslaufen muss.

Wenn ich solche große, unüberschaubare Projekte vor mir habe, dann hilft mir folgendes Mantra:

Man muss nicht immer den ganzen Weg sehen.
Hauptsache man macht den nächsten kleinen Schritt.


Der Straßenfeger Beppo aus Michael Endes Buch „Momo“ erklärt diese Sichtweise meiner Meinung nach sehr anschaulich. Deshalb teile ich diese Geschichte hier gerne hier mit euch.

Beppo Straßenkehrer

Der alte Straßenkehrer Beppo verrät seiner Freundin Momo sein Geheimnis. „Siehst du, Momo“, sagte er dann zum Beispiel, „es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man. “Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort: „Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen.“

Er dachte einige Zeit nach: Dann sprach er weiter: „Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muß nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten.“

Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte: „Dann machte es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“

Und abermals nach einer langen Pause fuhr er fort: „Auf einmal merkt man, daß man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste.“ Er nickte vor sich hin und sagte abschließend. „Das ist wichtig.“

Quelle: Momo von Michael Ende

Wann mir Beppo Straßenkehrer hilft

Vor allem im letzten Jahr während meiner Brustkrebsreise hat mich die Geschichte von Beppo Straßenkehrer immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Am Anfang war mir vieles – eigentlich alles – unbekannt. Dann bekam ich die Details zur Therapie immer schön häppchenweise. Mich hat das zwischendurch fast wahnsinnig gemacht, weil ich gern genauer geplant hätte, wann ich durch bin und wieder arbeiten gehen kann. Es war dieser drohende Kontrollverlust, mit den ich lernen durfte, umzugehen.

Doch das Leben lässt sich nicht immer vorhersagen und so habe ich mich die Straße entlang gekehrt bzw. mit die Leiter Stufe für Stufe weitergegangen. Ich habe von jeder Stufe aus die neue Aussicht genossen und mich neu ausgerichtet. Was ist genau jetzt wichtig? Welche Informationen brauche ich und was kann noch warten?

Auch in anderen Projekten habe ich das „große Ziel“ zwar klar vor Augen, aber ich versuche, mich immer auf den nächsten kleinen Schritt zu konzentrieren. So bleibe ich flexibel für die Möglichkeiten, die sich mir am Wegesrand bieten.

Gelingt mir das immer? Nein, natürlich nicht! Aber es gelingt mir immer häufiger. Wenn ich merke, dass ich gerade von zu viel Ungeduld und FOMO (Fear of Missing Out) eingenommen werde, dann erinnere ich mich an Beppo Straßenkehrer. Dann atme ich tief durch und schalte einen Gang zurück.


Was nimmst du heute für dich aus dieser Geschichte mit? Was ist dein nächster kleiner Schritt?

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